Gemeinsamer Text antifaschistischer Gruppen aus Uelzen und Lüneburg gegen den Wahlkampf der „Alternative für Deutschland“ (AfD) zur Europawahl 2014
Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) wurde im Frühjahr 2013 gegründet. Die AfD zentriert sich um nationalistisch grundierte Kritik an der EU. Es wird die „geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“ und die Rückkehr zur nationalstaatlichen Währungs- und Wirtschaftspolitik gefordert. Die AfD fordert mehr Unabhängigkeit von der Europäischen Union und weniger Sozialstaat. Hierbei stellt sich die AfD als Sammelsurium von eurokritischen, national-konservativen und sozialchauvinistischen Positionen dar. Immer deutlicher treten rechtspopulistische Tendenzen zu Tage. So werden auch von führenden Mitgliedern islamophobe, homophobe, kulturrassistische und auf Elitenvorrechte pochende Positionen vertreten.
Hinter dem Volkswirtschaftsprofessor und Parteisprecher Bernd Lucke sammeln sich Teile des bürgerlichen Establishments, welches hinter einer wissenschaftlichen Fassade rechte und populistische Stammtischparolen wieder diskursfähig machen möchte. Die AfD bemüht sich dabei um ein „unideologisches“ Profil und möchte weder rechts noch links sein – was nicht gelingt. Ihr ökonomisches Programm ist national statt europäisch ausgelegt und bleibt dabei scharf marktliberal. Der AfD geht es um ökonomische Verwertbarkeit und deutsche Privilegien, dafür appelliert sie geschickt an die Abstiegsängste des Mittelstandes in der Krise.
In diesem Umfeld verwundern Verbindungen zur extremen Rechten nicht. Dem Kreisverband Lüneburg/Lüchow-Dannenberg der AfD gehört mit Wilhelm von Gottberg ein Mensch mit verschiedensten Verbindungen nach ganz rechts außen an. Der Vertriebenenfunktionär gehört dem Beirat der extrem rechten „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG) an und unterhält Kontakte zum „Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen“. In einem Artikel im sog. „Ostpreussenblatt“ bezeichnete er mit antisemitischer Wortwahl den Holocaust als „Mythos“, „Dogma“ und „jüdische Wahrheit“. Auf der ehemaligen Facebookseite der Lüneburger AfD befindet sich seit Dezember 2013 ein Artikel der extrem rechten Zeitschrift „Sezession“. Dem Kreisverband Uelzen gehört der Landesvorsitzende der niedersächsischen AfD, Paul Hampel an, der schon einmal den russischen Präsidenten verteidigte und auf dem Bundesparteitag der AfD in Aschaffenburg durch rassistische Äußerungen auffiel.
Während die AfD 2013 den Einzug in den deutschen Bundestag mit 4,7% noch knapp verfehlte, gilt ihr Sprung ins Europaparlament am 25. Mai 2014 als sicher, da es bei dieser Wahl keine 5% bzw. 3% Hürde mehr gibt. Sicher ist auch, dass die Forderungen der AfD dem Ziel einer befreiten, solidarischen Gesellschaft ohne Ausgrenzung fundamental entgegenstehen.
My country is better than yours
Schwerpunkt der AfD ist die Unzufriedenheit mit der deutschen und europäischen Krisenpolitik. Hintergrund dieser Unzufriedenheit ist die Sorge um die nationale Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand in Deutschland. Einem „zentralisierten Europastaat“ möchte die AfD eine „geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“ und Standortnationalismus entgegensetzen. Durch weniger Einflussnahme der EU und sozialstaatliche Maßnahmen soll der Standort Deutschland wettbewerbsfähiger gemacht werden.
Diese Wettbewerbsfähigkeit bedeutet nichts anderes als die Unterwerfung der eigenen Bedürfnisse unter die Forderungen der nationalen Gemeinschaft. Was das real bedeutet sieht man beispielsweise an den Folgen von Zeitarbeit und prekärer Beschäftigung: Möglichst niedrige Löhne und keinerlei Absicherung. Lucke vertrat diese Position bereits in von ihm 2005 mit initiierten „Hamburger Appell“: „Wer behauptet, Deutschland könne und müsse ein Hochlohnland bleiben, handelt unredlich oder ignorant. (…) Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.“
Die Ursache für die Krise wird von der AfD nicht in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung selbst, sondern in der angeblich verschwenderischen Politik der „Südländer“ gesehen, der gegenüber es eine härtere deutsche Gangart bedürfe. Daher unterstützt die AfD die mit den Bankenrettungsschirmen verbundenen massiven Kürzungsprogramme und will die Austeritätspolitik der Troika noch verschärfen. Diese sozialchauvinistische Auffassung verkennt, dass im kapitalistischen Wettbewerb natürlich immer auf Kosten von Verlierer_innen gewonnen wird.
Der Nationalismus der AfD ist im Gegensatz zu dem der Neonazis nicht völkisch, sondern ökonomisch begründet. Die Menschen werden nicht nach vermeintlicher „Rasse“ oder Abstammung, sondern nach wirtschaftlichem Nutzen für den nationalen Standort bewertet. Ausgegrenzt werden all diejenigen, die sich nicht diesen Normen von Leistung, Nutzen und Integration fügen wollen oder können. Die AfD fordert daher die geregelte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften, möchte aber eine „ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“ unterbinden. Ein Beispiel für diese Ausgrenzung lieferte 2006 der heutige AfD-Parteisprecher Konrad Adam. Dieser unterstützte eine in der Tageszeitung „Die Welt“ geäußerte Anregung, „den Inaktiven und Versorgungsempfängern das Wahlrecht abzuerkennen“. Damit steht er in der AfD nicht alleine. Während Spitzenfunktionäre der AfD vor einiger Zeit noch die Abschaffung des Wahlrechts für Erwerbslose oder gleich des ganzen Parlamentes forderten, sehen sie aktuell in der „Direkten Demokratie“ eine elegantere Möglichkeit ihre Vorstellungen einer sozialselektiven „Demokratie“ umzusetzen.
Dass auch offen völkische Positionen zur Partei gehören, zeigt Armin Paul Hampel, Landesvorsitzender der AfD Niedersachsen und Vorsitzender des Kreisverbandes Uelzen. So sagte er auf dem letzten Parteitag in Aschaffenburg: „Zuwanderung hört da auf, wo die Identität eines Volkes verloren geht“ und schwadronierte über den „gnadenlosen Selbsthass“ der politischen Elite in Deutschland: „Für sie muss Zuwanderung her, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen.“
Forward to the past
Während die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans (LGBTs) im Juni 2013 vom Bundesvorstand der AfD noch als „politischer Nebenkriegsschauplatz“ bezeichnet wurden, rückt das Thema nun mehr und mehr in den Fokus der Partei. So beklagte die rechtskonservative Beatrix von Storch, die an vierter Stelle der AfD-Liste zur Europawahl steht, vor kurzem die angebliche Macht einer sogenannten „Schwulen-Lobby“ und homophobe Töne werden in der AfD immer lauter.
Auf dem hessischen Landesparteitag im Januar 2014 sagte Lucke, er erkenne in dem im Fall von Ex-Fußballspieler Thomas Hitzlsperger keinen besonderen Mut darin, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu bekennen. Stattdessen kritisierte er Hitzlsperger, der sich gegen Homophobie aussprach, nicht die seiner Meinung nach eigentlichen Defizite der Gesellschaft benannt zu haben: „Verfallserscheinungen“ von Ehe und Familie, also der Lebensformen die „für unsere Gesellschaft konstitutiv sind“. Von Ausgrenzung sind nach Lucke also nicht Menschen betroffen, die nicht der Heteronormativität entsprechen, sondern die klassische Beziehung: Vater, Mutter, Kind. Der AfD-Funktionär suggeriert, dass gleiche Rechte für LGBTs ein Angriff auf Ehe und Familie darstellen würden. Die homophobe Überzeugung wird geschickt als Verteidigung des Althergebrachten verkauft.
Der Uelzener Kreisverband der Alternative für Deutschland äußerte sich auf Facebook zu den neuen Lehrpläne Baden-Württembergs, die Homosexualität im Schulunterricht behandeln und sprach sich in gegen „eine Homosexualisierung der Gesellschaft“ aus. Homophobie sei ein „psychiatrischer Kunstbegriff“ und man wehre sich gegen „Propagandierung von Lebensentwürfen auf Basis von Ideologien“. Dass Liebe zwischen Menschen unabhängig von Geschlecht etwas Schönes ist, das nicht „propagiert“ werden muss, wird so negiert. Der Beziehung zwischen Mann und Frau wird so ein höherer Wert beigemessen, als der Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern und grenzt so letztere aus.
There is no alternative
Die AfD ist keine Alternative! Die Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und die damit verbundene Unterwerfung der eigenen Bedürfnisse unter das nationale Kollektiv finden sich in nahezu allen Parteien. Rassismus und Sozialchauvinismus gibt es auch bei Thilo Sarrazin, der bekanntermaßen nach wie vor SPD-Mitglied ist. Homophobie und eine erzkonservatives Familienbild sind weit verbreitet in Teilen von CDU/CSU.
Trotzdem schafft es die AfD, sich als Alternative zu inszenieren. Es ist kein Zufall, dass nationalistische und sozialchauvinistische Ideologien an Bedeutung gewinnen, wenn sich nationale Volkswirtschaften von Krisen und sozialen Abstiegsängsten bedroht sehen. Durch vorhandene Ressentiments und autoritäre Charakterzüge unterstützen viele Menschen reaktionäre Krisenlösungen. Die AfD kann mit ihrer Programmatik und Rhetorik an diese verbreiteten Denkmuster anknüpfen.
Als Reaktion auf die aufkommenden Fragen des kapitalistischen Normalvollzugs in der Krise machen derzeit europaweit rechtspopulistische und rassistische Parteien gegen Einwanderung, gegen Flüchtlinge, gegen den Euro und einen Zentralismus aus Brüssel mobil. Diese Parolen stoßen überall in der EU auf fruchtbaren Boden. Die AfD kann als deutsche Variante dieser neuen nationalistischen Strömung in Europa verstanden werden.
Die AfD ist keine Lösung, sondern Teil des Problems. Das Prinzip des kapitalistischen Wettbewerbs und die Einteilung der Menschen in „nützlich“ und „wertlos“ liefern den Nährboden für reaktionäre Ideologien. Die AfD bekämpft nicht nur den Euro sondern auch die Reste des Sozialstaates und hat für Erwerbslose und Hartz-IV-Bezieher_innen nur Verachtung übrig.
Die Durchhalteparolen vom Gürtel enger schnallen für die Wettbewerbsfähigkeit, vom Hoffen auf den nächsten Aufschwung, von der Rückbesinnung auf die eigene Nation müssen als das entlarvt werden, was sie sind: Eine Irreführung, um den krisenhaften Kapitalismus um jeden Preis am Laufen zu halten.
Es liegt an uns, dieser Logik einen Strich durch die Rechnung zu machen. Unsere EU- und Euro-Kritik ist keine egoistisch-nationalistische nach dem Motto „wir zahlen nicht für die faulen Griechen“, sondern eine solidarische im Interesse der Menschen im In- und Ausland: „Wir zahlen nicht für die kapitalistische Krise“.
Wenn wir von Antifaschismus sprechen, meinen wir den Kampf ums Ganze. Standortwahn und kapitalistischer Leistungsgesellschaft stellen wir eine befreite, solidarische Gesellschaft ohne Ausgrenzung gegenüber.
Another world is possible!
Antifa in die Offensive!
Jugendantifa Uelzen
S.C.A. [Salt City Antifas]
Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen