Die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ lädt zu einer Veranstaltung in der Lüneburger Universität. Der örtliche Kreisverband der AfD kündigt dazu den Europaabgeordneten Marcus Pretzell an. Diese Veranstaltung soll in Hörsaal 3 stattfinden und um 19 Uhr beginnen.
In Zeiten zunehmender rassistischer Hetze und Übergriffe erlebt die AfD einen zweiten Frühling und erreicht immer höhere Umfragewerte. Die AfD profitiert wie keine andere Partei von dieser brandgefährlichen und zum Teil mörderischen Stimmung in Deutschland.
Die AfD ist eine rassistische, antifeministische, homophobe und rechtspopulistische Partei. Derzeit führt diese Partei eine sogenannte „Herbstoffensive“ mit den Themen „Asylchaos und Eurokrise“ durch. Dabei wurde dem faschistischen Regierungschef Ungarns, Viktor Orbán, für seine menschenverachtende Grenzziehung zu Serbien gedankt. Generell wird die Schließung der deutschen Grenzen und eine schnellere Abschiebung von Geflüchteten gefordert.
Pretzell will am 4. Dezember 2015 zum Thema „Quo Vadis europäische Bürgerrechte?“ sprechen. Was er damit meint, stellt einen Generalangriff genau auf diese Rechte dar. Nach den Anschlägen von reaktionären Fundamentalisten und religiösen Fanatikern in Paris, stellt die AfD eine falsche wie krude Kausalität zwischen der deutschen Flüchtlingspolitik und dem islamistischen Terror her. Obwohl es dafür keinerlei Beweise gibt, stellt die AfD Menschen unter Generalverdacht, die vor dem IS geflohen sind und den islamistischen Terror am eigenen Leib gespürt haben. Die AfD will jetzt die Grenzen schließen lassen und fordert, dass alle “Asylbewerber aus arabischen Länder nachrichtendienstlich und polizeilich kontrollieren” zu lassen.
In der AfD sind immer wieder Äußerungen zu vernehmen gewesen, die sich gegen den demokratischen Grundsatz der Gleichheit und Gleichwertigkeit aussprachen und die Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten und armen Menschen zum Ziel hatten. Der Wert des Menschen wird nach seinem finanziellen Status und seiner “Nützlichkeit” bemessen.
AfD-Mitglieder forderten ein Klassen-Wahlrecht je nach „Leistung für das System“. So sprach sich der Der AfD-Funktionär Konrad Adam gegen ein Wahlrecht für Erwerbslose aus.
Die Vielfalt der Menschen und Lebensformen wird als Bedrohung statt Bereicherung dargestellt und Vielfalt abgelehnt. So soll es keine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geben. Wer also nicht nach dem Prinzip der traditionell-konservativen Familie lebt und liebt, soll wieder finanziell und rechtlich benachteiligt werden. Die AfD spricht sich vehement gegen Gender Mainstreaming, der Abschaffung der Ungleichwertigkeit zwischen Männern und Frauen, aus.
Who the fuck is Marcus Pretzell?
Marcus Pretzell ist Abgeordneter im Europaparlament und Landessprecher der AfD in NRW. Zuletzt machte er mit der Aussage, Flüchtlinge auch mit Waffengewalt abzuwehren, Schlagzeilen. Er gilt innerhalb der AfD als Bindeglied zwischen neoliberalen und nationalkonservativen Positionen und war am Anfang der Machtkämpfe in der AfD einer der lautesten Gegenspieler von Bernd Lucke.
Die AfD bezeichnete er als „Pegida-Partei“ und äußerte schon früh Verständnis für die islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen. Wie auch viele andere in der AfD träumt er von einer rechten Sammlungsbewegung und hat in diesem Sinne in einem „Brief an 80 Millionen Deutsche“ dazu aufgerufen, auf die Straße zu gehen – gegen die politische Klasse, für „christliche Werte“ und eine „liberale Gesellschaft“. Mit ähnlichen Veröffentlichungen versuchen rechte Strategen, eine nationalistische und rassistische Stimmung auf der Straße zu manifestieren.
Pretzell ist in Wiesbaden aufgewachsen und studierte in Heidelberg Jura. Dort war er im Corps „Saxo-Borussia“. Bevor er im Mai 2014 ins Europaparlament einzog, arbeitete er als Anwalt für Immobilienrecht.
Schon zu Beginn seiner Karriere unterstützte er eine Veranstaltung der Jungendorganisation der AfD mit Nigel Farage, dem Chef der britischen Ukip. Dessen Lieblingsthemen: EU-Austritt, Einwanderungsstopp, Kopftuchverbot.
In typisch rechtspopulistischer Manier sucht Pretzell mit scheinbar unbequemen Forderungen die große Bühne. So schlug er im August 2015 eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge vor und die Auszahlung des sogenannten Taschengeldes an Asylsuchende an die Ableistung eines „Bürgerdienstes“ zu knüpfen. Mittels einer scheinbar sozialen Forderung, versucht Pretzell rassistische Ressentiments zu schüren und bedient das weit verbreitete Vorurteil, dass Flüchtlinge nicht arbeiten würden. Diese rassistische Position steht auch in Zusammenhang mit den sozialpolitischen Positionen der AfD, nach der nur die/der Leistungen erhalten soll, die/der auch arbeitet.
Für Pretzell ist „die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio eine Selbstverständlichkeit“. Er würde mittels Polizeipräsenz, Wasserwerfern, Tränengas – und zur Not auch mit Schusswaffen – Flüchtlinge an den Grenzen abwehren. Dies sagte er, nachdem im Oktober 2015 ein afghanischer Flüchtling an der bulgarischen Grenze erschossen wurde. Hier zeigte sich eine rassistische Einstellung, die auch das Vernichten von Menschen mit einschließt.
Doch Pretzell ist in der AfD nicht unumstritten. Vor einigen Monaten erhielt er von seiner eigenen Partei eine Abmahnung. Pretzell hatte dem nordrhein-westfälischen Landesverband bewusst verschwiegen, dass das Finanzamt das Parteikonto zu pfänden drohte, weil er seine Steuerschulden nicht bezahlen konnte. Außerdem soll er mehrfach falsche oder geschönte Angaben von eigenen Verfehlungen gegenüber den Mitgliedern seines Landesverbandes gemacht haben.
Vor dem Anschlag steht die geistige Brandstiftung…
Tagtäglich kommt es zur Zeit zu rassistischen Übergriffen, Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünften, rassistischen Aufmärschen von „besorgten Bürgern“, Rassisten und Neonazis, pogromartigten Krawallen wie in Heidenau oder Freital; rassistische und rechte Gruppierung erhalten erheblichen Zuspruch: Der Rassismus tobt in Deutschland.
Diese Gewaltexzesse sind nur die Spitze des Eisbergs. Die momentane „Flüchtlingskrise“ ist ein Produkt der deutsch-europäischen Abschottungspolitik und des Grenzregimes. Ob in der Debatte um ein Einwanderungsgesetz, welches Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen auf ihre Verwertbarkeit reduziert, die weitere Verschärfung des Asylrechts in Deutschland oder der Forderung der CSU nach mehr Zäunen oder Transitlagern an den EU Außengrenzen – all dies ist Nährboden für rassistische Hetze und Gewalt.
Nachdem Pegida seit Monaten in Dresden gegen Flüchtlinge mobil macht und das ohnehin angespannte Klima weiter anheizt, will auch die AfD von der aktuellen Thematik profitieren. Nach Monaten der innerparteilichen Krise ist jede Zurückhaltung abgelegt worden und rassistische Hetze bestimmt die Politik der AfD. Mit einer „Herbstoffensive“ stößt die AfD ins rassistische Horn und versucht sich als Sperrspitze einer angeblich „asylkritischen“ Bewegung zu etablieren und die Stimmung weiter anzuheizen.
Die AfD ist eine treibende Kraft der aktuellen rassistischen Mobilisierung. Sie ist mitverantwortlich für die rassistischen Übergriffe in Deutschland. Mittlerweile organisiert die AfD eigene Demonstrationen und versucht an die Erfolge von PEGIDA in Dresden anzuknüpfen. In Erfurt gelang es der AfD, mehrere tausend Menschen zu Kundgebungen zu mobilisieren. Am 17. Oktober 2015 kamen rund 1500 Leute zu einer AfD-Kundgebung in Rostock zusammen. In Hamburg folgten am 31. Oktober 2015 dann knapp 500 Rechte einem Aufruf der AfD, in Berlin am 7. November dann rund 5000. Diese Aufmärsche stellten ein Sammelsurium von Personen aus den unterschiedlichsten Spektren der extremen Rechten, Hooligans und anderen Rassisten da.
Nationalismus und Rassismus sind keine Alternativen!
Die AfD vereint in sich deutschnationale, homophobe, christlich fundamentalistische, rassistische und sozialchauvinistische Positionen und steht damit zu Recht in einer Reihe mit rassistischen und rechtspopulistischen Parteien in Europa.
Die AfD steht für eine Politik, die von autoritären Denkmustern und nationalistischer Überheblichkeit gekennzeichnet ist. Dafür werden marktliberale Positionen durch Rassismus, Sexismus und Nationalismus ergänzt. Die AfD propagiert die Bevorzugung des eigenen nationalen Kollektivs gegenüber dem Rest der Menschheit. Passend zu dieser Rhetorik suchen große Teile der AfD in letzter Zeit gezielt den Schulterschluss zu den Demonstrationen der rassistischen und nationalistischen Pegida-Bewegung, deren Teilnehmer*innen gegen alles mobilisieren, was sie als fremd empfinden.
Durch ein bürgerlicheres Auftreten als es etwa von der NPD praktiziert wird, schafft es die AfD, den Unmut über die aktuelle EU-Politik und die existenziellen Bedrohungen und Verunsicherungen im Zuge der andauernden globalen Krise der kapitalistischen Ökonomie einzufangen und in nationalistische Bahnen zu lenken. Soziale Konflikte werden auf diese Art in nationale umgedeutet.
Die AfD zielt auf Aus- und Abgrenzung ab und bringt die sogenannte „deutsche Nation“ rhetorisch gegen andere in Stellung. Während das europäische Spardiktat vielen Menschen in den sogenannten „Krisenländern“ die Lebensgrundlage raubt, unterstellt die AfD diesen Menschen eine fehlende Arbeitsmoral und Faulheit, für die der „deutsche Steuerzahler“ aufkommen müsse. Dass Deutschland die Staatsverschuldung sogenannter „Krisenländer“ maßgeblich provoziert und von der Verschuldung profitiert hat, wird nicht thematisiert. Stattdessen wird die Schuld an der anhaltenden Krise des Kapitalismus den „Pleitegriechen“ oder ähnlichem diffamierten Bevölkerungen in der wirtschaftlichen und politischen Peripherie Europas zugeschrieben und der Austritt der südeuropäischen Länder aus der Eurozone gefordert.
Während die rassistische Hetze der AfD hauptsächlich auf kulturalistischen und wirtschaftlichen Argumentationen beruht, ist sie doch nah am völkischen Rassismus der Neonazis. Der niedersächsische Landesvorsitzende der AfD, Armin Paul Hampel, äußerte sich dementsprechend. So sagte er Ende Januar 2014 auf dem Parteitag der AfD in Aschaffenburg: “Zuwanderung hört da auf, wo die Identität eines Volkes verloren geht” und schwadronierte über den “gnadenlosen Selbsthass” der politischen Elite in Deutschland: “Für sie muss Zuwanderung her, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen.” Im Januar diesen Jahres offenbarte er in einem Interview mit den Schaumburger Nachrichten seine rassistische Einstellung mit dem Satz: “Wenn Zuwanderung nicht gebremst werde, dann verändere sich die Identität einer Gesellschaft”. Derlei Ausbrüche sind keine Einzelfälle in der AfD und sollen anschlussfähig für den deutschen Mob und die Nazis sein, die zurzeit in der ganzen BRD gegen Asylsuchendenheime hetzen.
Es selbst in die Hand nehmen…
Wir erteilen rassistischen, sozialchauvinistischen, nationalistischen, sexistischen und anti-emanzipatorischen Positionen eine Absage – egal von welchen Parteien oder Organisationen sie geäußert werden. Wir werden uns dem entschieden entgegenstellen und der AfD keinen Raum für ihre rassistische Hetze geben.
Wir stellen uns gegen jede Form rassistischer Mobilisierungen und kämpfen für gleiche Rechte für alle Menschen und eine solidarische Gesellschaft – gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung!
Die rechtspopulistische AfD führt in Lüneburg regelmäßig Veranstaltungen durch und der regionale Kreisverband ist einer der Größten in Niedersachsen. Angesichts der anstehenden Kommunalwahl im Herbst 2016 ist mit einer weiteren Zunahme ihrer Aktivitäten zu rechnen.
Gegen die AfD und ihren Rassismus und Nationalismus gab es in der Vergangenheit schon verschiedene Proteste in Lüneburg. Allein im Jahr 2015 fanden 6 Kundgebungen gegen AfD-Versammlungen in der Gaststätte „Adlerhorst“ statt. Unter dem Motto [Keine Ruhe für die AfD!] rufen antifaschistische Initiativen aus der Region zu weiteren Aktionen gegen die AfD auf.
Mit Marcus Pretzell will die AfD ihre rechte Propaganda nun an der Universität in Lüneburg absondern. Diese Veranstaltung werden wir nicht unwidersprochen lassen und rufen dazu auf, am 4. Dezember 2015 der AfD keinen Hörsaal oder anderen Veranstaltungsort ungestört zu überlassen und Rassismus, Nationalismus und Sozialchauvismus zu blockieren!
Mehr Infos zu den Gegenaktionen gibt es bei der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen.